Zukunft Bau in Schleswig-Holstein: Koalitionsvertrag praxisgerecht vereinbaren
Wenn das Land seine Bauziele in Zukunft weiter ermöglichen will, die Bauwirtschaft als wichtigen Produktivsektor stärken will, dann...
Kiel. Die Bauwirtschaft ist primär mit angesprochen, wenn es gilt, klimapolitische Ziele zu erreichen sowie ein angemessenes Wohnungsangebot am Markt zu schaffen. Sie kann der Politik heute schon spürbare Entlastungen bei Kosten und Klimapolitik anbieten. Sie braucht hierfür aber klare Kante der Politik zum Bau. Hierfür schlägt das Baugewerbe eine weiter vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der neuen Landeregierung vor und formuliert Vorstellungen für den Koalitionsvertrag.
Die Regierung und große Teile der Gesellschaft wollen den klimaneutralen Umbau auch im Gebäudebereich, die Sanierung der (Verkehrs)infrastruktur und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Das steht auf der einen Seite. Auf der anderen Seite stehen die derzeitigen Marktbedingungen: Materialengpässe und Preissteigerungen durch pandemie- und kriegsbedingt ge- und zerstörte Lieferketten, der Fachkräftemangel, staatliche Preissteigerungen wie vormals die Energieeinsparverordnung und nun die CO2-Abgaben. Diese Faktoren be- und verhindern viele Bauvorhaben. So wurde die Zielvorgabe des Bundes von 400.000 Wohneinheiten pro Jahr um knapp 90.000 bereits im vergangenen Jahr verfehlt. Ähnliches gilt in Schleswig-Holstein. Hier ist laut Statistikamt Nord die Zahl der fertiggestellten Wohnungen 2021 um 10,2 Prozent gegenüber 2020 gesunken.
„Die Lage hat sich nicht gerade entspannt“, sagt Georg Schareck, Hauptgeschäftsführer von Die Bauwirtschaft im Norden. „Es ist daher äußerst wichtig, dass die neue Koalition in SchleswigHolstein realistische und erreichbare Ziele formuliert. Zudem brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen, die Bauherren, Architekten und die Bauunternehmen in Stand setzen, auf Dauer planen zu können.“
Wenn die neue Koalition das Bauen in Zukunft weiter ermöglichen will, dann...
muss sie klare Kante zum Bau bekennen
Wir brauchen keine kontraproduktiven Ansätze und Aussagen aus der Bundespolitik wie KfWFörderstopps, weitere Ge- oder Verbote oder Einschränkungen im Straßenbau. Das Baugewerbe fordert die neue Koalition im Land auf, sich zum Bau zu bekennen und beim Bund für verlässliche Finanzierungsbedingungen einzutreten; auch für solche, die den Neubau nicht be- oder verhindern.
muss sie realistische und erreichbare Ziele formulieren
Die Koalition muss sich für eine bestandssichere Linie einsetzen, was eigentlich umgesetzt werden soll. Zum einen müssen hierfür schwammige umweltpolitische Begriffe wie „Nachhaltigkeit beim Bauen“ bis hin zu „Klimaneutralität“ auf eine einheitliche und allgemein verständliche Definitionslage gebracht werden. Zum anderen wäre ein einheitliches Bewertungsschema oder Zertifizierungssystem hilfreich, das ohne Bürokratiemonster, lange Prüfzeiten und Kosten funktioniert. Denn daran hängen die konkreten Ziele und Umsetzungsmöglichkeiten in der Praxis. „Reduce to the Max und keine Wolkenschlösser bitte.“
muss bei den Zielvorgaben Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen
Wir erwarten die Stärkung unserer (Bau)wirtschaft, wenn technologieoffen die Ziele angegangen werden. Ver- und Gebote, die Kreativität und Leistungsbreite einschränken, werden die allgemeinen klimapolitischen und wohnungsbaupolitischen Ziele eher erschweren als fördern. Die Kostenseite muss im Auge behalten werden, sodass die Verhältnismäßigkeit zwischen ökologischem Ziel und ökonomisch sinnvoller Maßnahme im sinnvollen Gleichgewicht bleibt. Das gilt auch für den Bereich Finanzierungen, damit Geldinstitute nicht über die vom Gesetzgeber geforderten Ziele hinausgehen – um so ihrerseits günstiger an Refinanzierungskredite mit ökologisch nachhaltigen Produkten zu kommen.
muss verlässliche Rahmenbedingungen schaffen
Die Bauwirtschaft braucht einen angemessenen zeitlichen Vorlauf, um die Klimaziele am Bau nach Stand der neuesten Technik umzusetzen. Schon aus Haftungsgründen bei komplexen Bauvorhaben ist es notwendig, mit Aus- und Fortbildungen der Mitarbeiter flankierend umzugehen. Die Bauwirtschaft braucht verlässliche Aufträge der öffentlichen Hand für vorausschauende Unternehmensplanungen und Investitionen in neueste Techniken und Fortbildungen. Das bisherige Ziel, Aufträge im öffentlichen Vergaberecht im Lande zu halten, muss fortgeführt werden. Zusätzlich braucht es beschleunigte Vergabe- und Genehmigungsverfahren sowie eine weitere Digitalisierung der Behörden.
Hierfür bietet die Bauwirtschaft Entlastungen
„Wir können der Politik heute schon eine spürbare Entlastung bei Kosten und Klimapolitik anbieten“, sagt Schareck. Dort, wo es möglich und nach dem Stand der Technik sinnvoll sei, könnten Baustoffmengen eingespart werden. Bei Massenbaustoffen wie Beton und Stahl rechneten Betriebe mit einem durchschnittlichen Hebepotenzial von bis zu 30 Prozent. Ähnliches gelte im Brandschutz. Dazu müsse man alle am Bauprozess Beteiligten hiervon in Kenntnis setzen und überzeugen. Dann könnten auch erhebliche CO2-Minderungspotenziale gehoben werden. Zudem kann erwartet werden, dass weitere positive Effekte generiert werden, wenn stärker als zuvor vor allem regionale Baustoffe zum Einsatz kommen. Ansonsten würde, bei Bezug solcher Baustoffe aus dem nahen und fernen Ausland, der ökologische Stempel negativ saldieren. Dazu bedarf es zwingend einer regionalen Rohstoffsicherung.
„Wir wünschen uns weiterhin einen Dialog mit der Landesregierung und die Berücksichtigung unserer Anregungen und Erfahrungen. Vielleicht hilft es, hier ausnahmsweise in Zweijahres- bis Dreijahresplänen zu denken und Ziele Schritt für Schritt anzugehen“, so Schareck. Viele Ansätze in Schleswig-Holstein seien gut und hier gelte es, Kurs zu halten und gegebenenfalls gegenzusteuern.