Neubauförderung voll am Markt vorbei
Fehlerhaft, voll am Markt vorbei, unverständlich, überflüssig: Kaum in Kraft gesetzt, löst die am 1. März gestartete Neubauförderung erneut massive Kritik von Seiten der Bauwirtschaft aus.
Kiel. Die Bauwirtschaft steht selbstverständlich bereit, wenn es darum geht, klimapolitische Ziele zu erreichen sowie ein angemessenes Wohnungsangebot am Markt zu schaffen. Das hat sie immer getan. Doch die Politik muss hierfür fehlerfreie Bedingungen setzen, damit Bauherren in Eigenheime und Mietobjekte investieren. „Der Markt hat auf die neue Förderrichtlinie im März gewartet und sieht sich trotz vieler guter Argumente für marktgerechte Anpassungen arg enttäuscht“, sagt Thorsten Freiberg, Vorstandsvorsitzender des Baugewerbeverbandes Schleswig-Holstein. Der Hochbau sei bereits zuvor massiv eingebrochen und es fehlten ausreichend Bauaufträge, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen; nun werde dieser Zustand trotzdem willentlich und ganz bewusst in Beton gegossen.
Für das Förderprogramm zur Neubauförderung, das Bundesbauministerin Klara Geywitz vorgestellt hat, werden lediglich 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, davon gehen 350 Millionen als zinsverbilligte Kredite an private Bauherren. Gebunden ist die Förderung an den Bau der EffizienzhausStufe 40 und je nach Fördersumme den Nachweis eines Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude sowie ein klimafreundliches Heizsystem (EH 40 Plus).
„Unter diesen Bedingungen ist die Förderung fast schon eine Eulenspiegelei, denn sie rechnet sich schlichtweg nicht“, so Freiberg. Zu den Kosten zur Erreichung EH 40 kommen die Kosten für die Energieberatung und Zertifizierung. Diese belaufen sich als allerunterster Ansatz auf 25.000 Euro bei einem Einfamilienhaus und liegen bei größeren Bauvorhaben weit darüber. Damit zahlt ein Bauherr beispielsweise für ein gefördertes Darlehen von 100.000 Euro den mit etwa 25 Prozent Mehrkosten sehr teuren Standard KfW 40, die steigenden Bauzinsen und hohen Materialpreise sowie ein Viertel für den Nachweis ökologischer Anforderungen. Dem stehen gegenüber dem EH 55 Standard kaum so signifikante Vorteile für eine Klimaneutralität gegenüber, dass sich das deutlich höhere Investment lohnt.
Man muss sich schon fragen, was die Politik eigentlich damit erreichen will. Denn bereits dieser Standard erfordert einen hohen Standard für energetische Dämmung und eine möglichst regenerativ ausgerichtete Heizungsart. Gerade im Beratungssektor wird in der Branche deshalb immer mehr darauf hingewiesen, doch bei EH 55 Standard zu bleiben und hier individuelle Optimierungsmöglichkeiten umzusetzen. Denn derartige Einzelmaßnahmen sind teilweise auch förderwürdig.
„Bei allen Ambitionen für dem Klimaschutz muss die Kostenseite bedacht werden, sodass die Verhältnismäßigkeit zwischen ökologischem Ziel und ökonomisch sinnvoller Maßnahme im vernünftigen Gleichgewicht bleibt“, so der Vorstandsvorsitzende weiter. Die jetzigen von der Bundesregierung gesetzten Rahmenbedingungen seien toxisch. Diese dienten nur bedingt dem Ziel der Regierung für Klimaneutralität, aber dem Wirtschaftsministerium würden so vermutlich wenigstens nicht wie in der Vergangenheit die Fördermittel ausgehen.
Die mittlerweile festgestellt fehlenden 700.000 Wohnungen werden jedenfalls auf diese Weise nicht in Auftrag gegeben. Und ohne Aufträge kann die Bauwirtschaft keinen Wohnraum erstellen. Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe rechnet für 2022 mit 280.000 fertiggestellten Wohnungen, 2023 mit 245.000 Wohnungen, was einem Minus von 12,5 Prozent entspricht. „Die bis dato erfolgten Auftragseinbrüche werden sich weiter verschärfen. Die Baubetriebe arbeiten derzeit noch erteilte Aufträge ab; das volle Ausmaß der verfehlten Förderpolitik wird sich in der Baukonjunktur 2024/2025 zeigen“, erklärt Freiberg. Man könne nur hoffen, dass sich die Verantwortlichen den Realitäten bis dahin, besser noch baldmöglichst, stellten.