Frühjahrsprognose Bauwirtschaft: Konjunktur gebremst - Schleswig-Holstein folgt dem Bundestrend
Nach der aktuellen Frühjahrsprognose des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe beurteilen die Betriebe im Bauhauptgewerbe ihre aktuelle Geschäftslage derzeit noch deutlich besser als ihre Erwartungen für die kommenden sechs Monate. Diese sehen sie eingetrübt. Schleswig-Holstein folgt dabei dem Bundestrend.
Für seine aktuelle Frühjahrsprognose hat der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) seine Mitgliedsbetriebe nach der aktuellen Situation und der Einschätzung der zukünftigen Lage befragt. Gemeldet haben ihre Daten überwiegend kleinere Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern, die rund 90 Prozent der Bauunternehmen im Bauhauptgewerbe ausmachen. Unter diesen haben sich vor allem Betriebe aus dem Hochbau und Tiefbau an der Frühjahrsumfrage beteiligt.
Die befragten Unternehmen melden eine gute Auftragslage; das wird auf die zum Jahresbeginn bestehenden hohen Auftragsbestände zurückzuführen sein, die jetzt abgearbeitet werden. Ihre Geschäftserwartungen beurteilen sie hingegen deutlich schlechter, rund 40 Prozent der Unternehmen rechnen mit Umsatzrückgängen in 2022. Gründe hierfür liegen in den massiven Lieferschwierigkeiten, in den Preissteigerungen bei Baustoffen sowie in den steigenden Finanzierungskosten. Hier wird nicht erwartet, dass der Druck nachlässt.
Im Wohnungsbau kommen zur Verteuerung der Baustoffe noch das Zurückfahren von Förderbedingungen, die die Bautätigkeiten ausbremsen. Für den öffentlichen Bau sind die Einschätzungen zur Wirtschaftslage noch verhaltener. Wegen der jüngsten Preisentwicklungen und der neuen Herausforderungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen ist in den kommenden Monaten mit einer eher zurückhaltenden Investitionsbereitschaft bei der öffentlichen Hand, insbesondere bei den Kommunen, zu rechnen. Hier brauche es eine realistische Fortschreibung der Budgets auf Basis der Preisentwicklung, so der ZDB. Die Festlegung im Koalitionsvertrag, die kommunale Investitionstätigkeit zu unterstützen, müsse jetzt zeitnah angegangen werden.
Für Schleswig-Holstein sind ebenfalls Daten erhoben worden. „Insgesamt ist die Beurteilung der aktuellen und zukünftigen Geschäftslage durch unsere Betriebe in Schleswig-Holstein mit dem bundesweiten Trend vergleichbar. Insgesamt wird die Lage jedoch leicht besser gesehen. „Wir sind bei uns im Norden froh über diese Einschätzung“, kommentiert Jan Jacobsen, Geschäftsführer von „Die Bauwirtschaft im Norden“.
Die Lagebeurteilung mit durchschnittlicher Note von gut bis befriedigend fällt hier deutlich besser aus als die Erwartungen für die kommenden sechs Monate. Etwas mehr als 60 Prozent der befragten Betriebe im Norden geht von einer stabilen Baukonjunktur aus, bundesweit sind es knapp 50 Prozent der Unternehmen. Viele Betriebe sind dabei, den Auftragsüberhang abzuarbeiten. Er liegt durchschnittlich bei mehreren Wochen, im Wohnungsbau bei 23, im Wirtschaftsbau und öffentlichen Hochbau bei 13, im Straßenbau bei 17 und im Tiefbau bei 20 Wochen.
Allerdings wird auch in Schleswig-Holstein überwiegend nicht mehr mit den Umsätzen des Vorjahres gerechnet. Knapp 30 Prozent der Unternehmen rechnen mit Umsatzrückgängen in 2022, bundesweit sind es 40 Prozent. Beim öffentlichen Hochbau folgt der Norden dem Bundestrend und beurteilt die künftige Geschäftslage gedämpfter. Insgesamt bremsen steigende Finanzierungskosten und notwendig steigende Preise für Bauleistungen die Investitionsbereitschaft vor allem in Immobilien. Dieses auch und insbesondere im Bereich der privaten Hausbauer. „Die eingebremste Nachfrage wird sich stark in der Umsatzentwicklung in 2023 bemerkbar machen“, sagt Jacobsen. „Die Unsicherheit in den Familien, die sich den Traum vom Eigenheim erfüllen wollen, ist groß. Hier haben die Unternehmen mit Stornierungen von Bauaufträgen zu kämpfen, da eine Finanzierung für viele Familien nicht mehr darstellbar ist“, so Jacobsen.
Unter den Baubehinderungen liegt der Materialmangel nun an erster Stelle. Insbesondere Kunststoffe, Stahl, Holz- und Gipsprodukte, Bitumen, aber auch Beschläge, Werkzeuge und Geräte stehen eingeschränkt zur Verfügung. Neben den wiederauflebenden Lieferschwierigkeiten gehören zu den Folgen des Ukrainekrieges die deutlichen Preiserhöhungen bei Baumaterialien. Alle Betriebe sprechen von gestiegenen Einkaufspreisen, 98 Prozent der Betriebe gehen davon aus, dass sie auch in den kommenden Monaten steigen werden. Etwa 95 Prozent der Betriebe gaben an, dass sie die Verkaufspreise erhöht hätten, 92 Prozent gehen auch von zukünftigen Preiserhöhungen aus.
Beinahe ebenso große Baubehinderungen verursacht der Arbeitskräftemangel. Insbesondere Facharbeiter und Hilfskräfte würden fehlen, so 62 Prozent der Betriebe, aber auch Auszubildende, gaben 23 Prozent an. In 45 Prozent der befragten Betriebe gibt es unbesetzte Ausbildungsstellen. In Schleswig-Holstein sind in den Betrieben des Bauhauptgewerbes rund 35.000 Mitarbeiter beschäftigt, darunter etwa 2.200 gewerbliche Auszubildende, Umschüler und Praktikanten. Ihr Anteil liegt bei sechs Prozent. Bundesweit befinden sich knapp 40.600 Jugendliche in einer Bauausbildung, das sind etwa 5 Prozent der rund 920.000 Beschäftigten insgesamt. „Die Bauunternehmer zeigen eine Bereitschaft, dem Fachkräftemangel auch durch Ausbildung zu begegnen“, sagt Jacobsen. Trotz der eingetrübten Erwartungen zur Geschäftsentwicklung wollen die Unternehmen ihre Beschäftigtenzahl halten (62 Prozent) und sogar erhöhen (32 Prozent). „Der Bedarf an Fachkräften wird über Jahre hinaus bestehen bleiben und kann als Beschäftigungsgarantie in der Baubranche bezeichnet werden“, so Jacobsen.