Desaströse Bilanz im Wohnungsbau
Die Bauwirtschaft im Norden übt angesichts der NordBau scharfe Kritik an den unzureichenden politischen Maßnahmen
Kiel/Neumünster. Obwohl dringend neue Wohnungen benötigt werden und die Bauwirtschaft hierfür bereitsteht, steckt der Wohnungsbau in einer zunehmend ernsteren Krise. Die Baugewerblichen Verbände fordern Gegenmaßnahmen von Bund und Land.
Die aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen eine desaströse Halbjahresbilanz im Wohnungsbau und bleiben damit in dem besorgniserregenden Trend der letzten Jahre. Die Aufträge gingen bis Ende Juni dieses Jahres um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahreswert zurück, der Umsatz brach um zwölf Prozent ein. Das Münchner Ifo-Institut erwartet, dass sich die Krise fortsetzt und prognostiziert für 2026 nur lediglich 175.000 neu gebaute Wohnungen – über 40 Prozent weniger als 2022. Das 2021 angekündigte Ziel der Berliner Koalition von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ist schon lange Makulatur.
Vor allem die derzeitige Unwirtschaftlichkeit vieler Projekte bewirkt, dass geplante Bauvorhaben nicht umgesetzt werden. Dass aktuell die negativen Folgen der Inflation und des Zinssprungs hauptsächlich - nach Lesart des Bundesbauministeriums - verantwortlich seien, ist mit Blick auf die aktuellen Zahlen eine Schutzbehauptung. Im Übrigen spüren andere Länder in Europa diese ebenfalls, bei vergleichbar deutlich besserer Baukonjunktur. Doch in Deutschland sind entscheidend die von der Politik im Wesentlichen hausgemachten Kostentreiber und Planungsunsicherheiten aus dem Ruder gelaufen und verhindern eine Erholung des Marktes.
„KfW-Programme beim Neubau wirken eher wie Bauverhinderungsprogramme und im Bestand werden viel zu hohe Anforderungen gesetzt. Die politisch falsch gesetzten Anreize und schlechten Rahmenbedingungen sowie die Verunsicherung aufgrund von realitätsfernen Maßnahmen verursachen Unsicherheit und weiterhin Unentschlossenheit bei Bauinvestitionen“, sagt Georg Schareck, Hauptgeschäftsführer von Die Bauwirtschaft im Norden.
Und ergänzt: „Etwa wenn Bundesbauministerin Klara Geywitz das Patentrezept im Massenumzug aufs Land propagiert und modulares Bauen für den Königsweg hält, oder wenn Bundeskanzler Olaf Scholz Versprechungen wie im 14-Punkte-Bauprogramm von 2023 macht, die er nicht hält.“
Krise auch in Schleswig-Holstein
Die Situation in Schleswig-Holstein ist exemplarisch für die Wohnungsbaukrise. Bei den größeren Betrieben im Bauhauptgewerbe zeigen die aktuellen Zahlen aus dem Statistikamt Nord, dass die Umsätze binnen Jahresfrist im ersten Quartal 2024 preisbereinigt um mehr als ein Viertel einbrachen.
Im Jahr 2023 wurden Baugenehmigungen für 10.866 Wohnungen erfasst. Das sind 29,8 Prozent weniger als im Vorjahr, so das Statistikamt Nord. In den ersten vier Monaten 2024 waren es 1.544 Baugenehmigungen für Wohnungen. Die fehlenden Baugenehmigungen von heute sind die nicht realisierten Bauprojekte von morgen. Dieser statistisch nicht erfasste Wert wird sich erst ab 2025 realisieren. Schareck: „Wir wissen darum schon heute: Das verschärft die ohnehin angespannte Wohnraumsituation weiter.“
Das Land versucht, über Maßnahmen für den sozialen Wohnungsbau einzugreifen. Der Mangel an Sozialwohnungen verknappt das Wohnangebot und erzeugt dadurch eine Kettenreaktion auf dem Mietmarkt, die unter anderem zu steigenden Mieten führt. In Schleswig-Holstein wurden 2023 mit Landes- und Bundesmitteln fast 2.000 Wohneinheiten gefördert und das Land will in diesem Jahr das Niveau mit 1.900 geförderten Wohnungen halten. Die aktuelle Förderung von rund 400 Millionen sei allerdings nicht ausreichend, heißt es aus der Opposition. Denn es fehlen laut einer Studie des Pestel-Instituts fast 17.000 Sozialwohnungen im Land.
„Sozialen Wohnraum zu schaffen, ist richtig und wichtig, löst aber die Probleme am Wohnungsmarkt nicht alleine“, betont Schareck. Richtig sei deshalb der Weg des Landes, die hohen KFW-Standards am Bau praxis-, kosten- und klimagerecht anzupassen. Dringend notwendig sei die rechtssichere Möglichkeit zum vereinfachten Bauen, um von zahlreichen der rund 38.000 Baunormen und -vorschriften wegzukommen.
Das Innenministerium müsse den von der ARGE SH als „Regelstandard Erleichtertes Bauen“ vorgestellten Weg konsequent und schnell weitergehen. Dieser greift jedoch nicht für den breiten Baumarkt, weshalb teure und verzichtbare Regeln der Technik einfach und rechtssicher kaum vereinbart werden. Hierzu ist eine kleine Rechtsanpassung im Werkvertragsrecht ausreichend, für die sich das Land einsetzen sollte.
Auch müsse dem großen Fachkräftemangel in den Bauämtern durch effizientere Arbeitsabläufe und stärkere Digitalisierung begegnet werden. Im Bereich der Landesbauordnung sei die jüngste Novelle derselben in Niedersachsen für den Bestandsbau ein Muster, das auch in SchleswigHolstein nicht totgeprüft, sondern zügig als Muster zu einer Umsetzung gebracht werden sollte.
Kritik an bundespolitischen Maßnahmen
Der Baukostenindex des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass sich die Materialkosten auf hohem Niveau stabilisieren und die Arbeitskosten weiter steigen. Die Bauwirtschaft im Norden übt scharfe Kritik an den unzureichenden bundespolitischen Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus.
„Es wäre schnell und effizient durch die Bundesregierung machbar, Baukosten zu senken und gleichzeitig Baumaßnahmen mit deutlichem CO2-Minderungspotenzial zu ermöglichen. Es ist kaum verständlich, weshalb die von uns und unserem Spitzenverband präsentierten Optionen nicht umgesetzt werden“, so Schareck weiter.
Als völlig aus dem Ruder gelaufen bezeichnet der Verbandschef die höchst problematischen Regelungen des Bundeswirtschaftsministers zur KfW-Förderung. „Die Halbwertzeit von kurzfristigen Regeländerungen, das Kürzen von wichtigen Programmen ohne Vorankündigung, die Verteuerung von KfW-Krediten sogar über den Bankenfinanzierungsrahmen hinaus etc. führen zur weiteren Planungsunsicherheit und Zurückhaltung bei Bauherren.“ Schareck fordert hier dringend dazu auf, der Bauwirtschaft wieder Luft zum Atmen und sichere Rahmenbedingungen zu geben.
Denn trotz teurer KfW-Rahmenbedingungen gilt auch, dass diese eigenkapitalersetzend und damit wichtig für Finanzierungen sind. Ohne verbesserte Rahmenbedingungen sieht die Zukunft des Wohnungsbaus weiter düster aus.
Die Baugewerblichen Verbände in Schleswig-Holstein haben einen Forderungskatalog zusammengestellt.