Bauen statt Bürokratie
Baubetriebe ersticken an unnötigem Aufwand. Bürokratie macht Bauen langsam, kostet und ist nicht nachhaltig.
Kiel. Überbordende Regeln, unnötige Vorschriften und realitätsferne Gesetzesvorgaben machen das Bauen unnötig kompliziert, verursachen unsinnige Kosten und verhindern effiziente Bauprozesse. Über Bürokratieabbau wird in Politik und Verwaltung zwar seit langem gesprochen, aber das Bürokratiemonster wird nicht kleiner. Vielmehr kommen immer neue Belastungen hinzu.
„Auf Bundesebene mit unserem Zentralverband Deutsches Baugewerbe und auf Landesebene mit unseren Bauverbänden sind wir mit der Politik seit langem im Gespräch“, betont Georg Schareck, Hauptgeschäftsführer von Die Bauwirtschaft im Norden, „denn die Bürokratie ist für einen Baubetrieb kaum mehr zu stemmen. Sie ist anerkanntermaßen geradezu mittelstandsfeindlich.“ Es sei deutlich, dass viele Vorschriften von Menschen gemacht würden, die vom praktischen Unternehmertum nichts verstünden und die Auswirkungen auf die Praxis nicht kennten oder nicht kennen wollten. Der Verbandschef fordert nun, hier dringend Abhilfe zu schaffen.
„Es müssen die Regulierungen durchforstet und auf die notwendigen Bestimmungen reduziert werden – und zwar auf allen Ebenen: von den technischen Regeln über administrative Belange bis zu Verwaltungsvorschriften oder Informationspflichten – und das Ganze auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene.“ Andernfalls gelte mit sorgenvollem Blick auf die jüngsten Gesetze aus Berlin und das, was in Brüssel geplant ist: Selbst wenn jedes Ressort nur einige Vorschriften einbringt, summieren sich diese für die Betriebe und würgen deren wirtschaftliche Entwicklung ab. So wird dem Unternehmertum die Lust am Geschäft vermiest und technologieoffene Planung verhindert.
Auf 3.300 Stück angewachsene Bauvorschriften
Ein Beispiel sind die mittlerweile auf 3.300 Stück angewachsenen Bauvorschriften. Zwar brauchen Bauwerke Schutzvorschriften in der Statik, im Schall- oder Brandschutz, aber die derzeitigen allgemein anerkannten Regeln der Technik schießen weit über das Ziel hinaus. „Das Bauen muss wieder auf die Kernanforderungen des Baurechts reduziert werden und Bauherren und Bauunternehmern wieder Luft für eigene Entscheidungen zubilligen“, sagt Schareck. Hierfür müssen die Regeln schlicht vom Anwendungszwang ausgesetzt werden.
Das gilt gerade bei den Anforderungen zum nachhaltigen Bauen. Denn, so der Verbandschef unter Bezugnahme auf die entsprechende Unterstützung durch den jüngsten Baugerichtstag: „Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind solche, die durch die Baupraxis über einen längeren Zeitraum angewendet werden. Sie sind aus der Vergangenheit zur Anwendung in der Gegenwart entstanden.“ Gerade deshalb stehen sie den geforderten neuen Bauweisen mit deren zukunftsgerichteten Zielen und Eigenschaften vielfach entgegen. „Nach derzeitigem Stand müssten eine Vielzahl von Ausnahmebewilligungen für derartige Bauweisen als Einzelfallbetrachtung erfolgen“, betont Schareck. So werde das im Massengeschäft nichts mit der Klimaneutralität. Weder im Bestand noch im Neubau.
Wust an Dokumentations- und Berichtspflichten
Die Unternehmen stehen zudem vor einem Wust an Dokumentations- und Berichtspflichten sowie zahlreichen administrativen Aufgaben. Hierzu zählen beispielsweise Datenschutzgrundverordnung Transparenzregister, Taxonomieverordnung, Lieferkettenregulierung, Bauproduktenverordnung, Tariftreuegesetz, Arbeitszeitdokumentationen, aushangpflichtige Gesetze, Aufbewahrungsfristen, Nachweis- und Informationspflichten sowie viele weitere Verordnungen, Gesetze, Regulierungen und Vorgaben.
„Es ist den Bauunternehmern hoch anzurechnen, hiervor nicht zurückzuschrecken und weiterzuarbeiten, obwohl diese Zeit für die eigentlichen Angebote und das Bauen selbst fehlt“, so der Verbandschef. Es sei kaum noch zu ertragen, mit wie viel Eifer Hunderte von „zuständigen Stellen“ Arbeitsschutzvorschriften vom Sonnenbrand bis zum Immissionsschutz, Abbiegehilfen bei Baufahrzeugen, Nachweise für geschlechterspezifische Sanitäranlagen, Nachweise der BaustoffHerkunftskontrollen, Umwelterklärungen und vieles mehr erdächten. Das Ganze werde zudem verbunden mit Ge- und Verboten und brauche zahlreiche, auch neu zu schaffende Personalstellen. „Dies alles ist nicht auf Produktivitätssteigerung und Kostensenkung, sondern auf Kontrolle und Selbstabsicherung ausgerichtet“, so Schareck.
Komplexe und geradezu widersinnige Verordnungen
Wenngleich die Landesregierung beispielsweise mit ihrem Vergabegesetz die Teilhabe kleinerer Betriebe an öffentlichen Ausschreibungen von Land und Kommunen ermöglicht und das Verwaltungsverfahren vereinfacht hat, sind die Verfahren doch zeitaufwändig und komplex. „Zur erleichterten Einbindung der Betriebe sollte das von uns seit vielen Jahren eingeführte und erprobte System der Präqualifikation und Zertifizierung endlich weiter gestärkt werden“, betont Schareck.
Auf Bundesebene werde nunmehr die Einführung nachhaltiger Vergabekriterien geprüft – obwohl keiner so genau wisse, wie diese am Ende aussehen sollten. Denn außer den Einsparzielen aus Klimaschutzgründen gäbe es hierzu keine allgemeinverbindlichen Regeln. Von den darüber hinaus geplanten Nachweisen zur öffentlichen Vergabe an sogenannte tariftreue Betriebe ganz zu schweigen. Diese hätten in der Praxis so gut wie nie funktioniert, würden aber wohl erneut kommen.
Die Baustoffverordnung wurde auf Bundesebene trotz ihrer bekannten Mängel von der Umweltministerin durchgesetzt. Dies hat zur Konsequenz, dass Bauunternehmen nun zusätzliche Dokumentationen für zahlreiche Abfälle führen müssen, die zuvor in die Recyclingwirtschaft eingebracht wurden. Viele dieser Materialien müssen nun auf Deponien entsorgt werden, obwohl die gesetzlichen Forderungen hierzu anders lauten und diese Stoffe gebraucht werden.
Auch wird es nichts mit Beschleunigung und Bürokratieabbau ohne Digitalisierung in den Behörden. Es ist noch gängige Praxis, dass Formulare zwar im Web angeboten werden, diese aber ausgedruckt und persönlich eingereicht werden müssen – beispielswese sogar umfangreiche Unterlagen wie Bauanträge. Und geradezu widersinnig sind die Anforderungen an den Nachweis vieler Qualifikationen von und in den Betrieben, die teilweise doppelt und in weiteren Regelungen nochmals einzeln oder in Teilen vorgelegt werden müssen.
Bürokratie tut nicht gut
Die Bauunternehmer müssen sich heutzutage mit Verwaltungsvorschriften auseinandersetzen, anstatt ihrem Kerngeschäft nachzukommen. Das macht auch mit Blick in die Zukunft Betriebsgründungen oder -übernahmen nicht wirklich attraktiver. Und häufig seien die Vorschriften so komplex, dass sein Verband hierzu beraten müsse, erklärt Schareck. Er hält es für mehr als bedenklich, dass die Bürokratieberatung immer mehr in die Grauzone abdrifte, wie man die Bürokratie am besten vermeiden könne. Das habe schon der vergleichbaren Praxis im Steuerrecht nicht gutgetan.
Daher der dringende Appell an die Politik, etwas zu ändern: Unnötiges über Bord werfen, einfache Vorschriften erlassen und keine, bei denen es eine Vielzahl von Fachleuten im Betrieb braucht, sowie baugerechte Vorgaben machen. Da kann das Land schon einmal vorangehen, anstatt auf die sich selbst paralysierende Ampel im Bund zu warten.